Ein eher kleines Häufchen war es, das sich da an einem Mittwochvormittag in der Abflughalle von Rhein-Main zusammenfand, denn die mutigere Mehrheit hatte sich schon drei Tage vorher auf den Weg nach Warschau gemacht, um sich dort erst einmal nach eigenem Gusto umzusehen und danach - auch ohne die helfende Hand unserer polnischen Freunde - mit der Bahn nach Nałęczów [sprich: „Na-Uängtschuff“], einem Kurort bei Lublin, durchzuschlagen.

Die Nachkömmlinge hingegen wurden mit dem Auto vom Warschauer Flughafen abgeholt, was für den Fahrer – hin und zurück - immerhin sechs Stunden Fahrt bedeutete. Aber vielleicht gibt es bei unserem nächsten Besuch bereits eine Flugverbindung zwischen Frankfurt und Lublin.

Wie ein Großteil unserer Gastgeber so waren auch wir auf einem postalischen Grundstück komfortabel untergebracht, zu dem ein großer Garten gehörte, in dem sich herrlich grillen und feiern ließ. Unser Empfang dort war so strahlend wie das Wetter die ganzen Tage über, das sich erst bei der Rückkehr zum Warschauer Flughafen mit Blitz und Donner so heftig verabschiedete, dass gar der Flugplan durcheinander kam und so mancher von uns auf Rhein-Main seinen ganzen kriminalistischen Scharfsinn aufwenden musste, um wieder an sein Gepäck zu kommen. Aber bleiben wir in Lublin und Umgebung.

In Polen ist der Gast König, und was das bedeutet, merkten wir spätestens dann, als wir nach einem opulenten Willkommens-Abendessen beim Abräumen mithelfen wollten. Das ist also keineswegs so wie bei uns, wo man dem Gast zum Zeichen dafür, dass er sich wie zu Hause fühlen soll, etwa eine Küchenschürze umbindet, damit er beim Geschirrabtrocknen mitwirkt. Nein, keinen Finger durften wir krumm machen. Und mehr als einmal kamen wir ins Grübeln, ob uns unsere Freunde nicht zu weit über Gebühr verwöhnten. Aber immerhin verwehrten sie es uns anlässlich der Soirée amicale nicht, sie erneut nach Darmstadt einzuladen.

Das sorgfältig vorbereitete Programm las sich wie ein Baedeker. Aufgeführt waren da mannigfaltige Museen, prächtige Schlösser, beeindruckende Kirchen, großzügig angelegte Park-anlagen - ein Objekt sehenswerter als das andere - an Orten mit schwer aussprechbar erscheinenden Namen wie Zamość oder Kozłówka. Aber dann war da auch ein Ort, dessen Schreibweise ganz ohne diakritische Zeichen auskommt, nämlich Majdanek. Nie zuvor hatte ich eine Erinnerungsstätte letzteren Typs betreten.

In bester Erinnerung werden mir auch die fröhlichen Abende im Garten bleiben, an denen uns über das rein Kulinarische hinaus beim Klange einer Klampfe gar manches polnische Volkslied dargeboten wurde. Welches deutsche Liedgut hätte dazu wohl gepasst? „Weißt du wie viel Mücklein spielen“ etwa wäre möglicherweise als allzu beziehungsreich empfunden worden. Unsere Wahl fiel schließlich – etwas unglücklich - auf „die Vogelhochzeit“ mit all ihren vielen Strophen.
Was dabei gleichfalls auffiel war die Erinnerung daran, dass die Würze bekanntlich in der Kürze liegt. Möglichst nur die erste Strophe singen - insbesondere vor Zuhörern, die mit dem deutschen Idiom weniger vertraut sind - erzielt die größere Wirkung, vom Deutschlandlied einmal ganz abgesehen. Könnten unter dieser Voraussetzung nicht auch Sie mitsingen?
Georg Urbanski