17 Engländer und 16 Deutsche besteigen am Morgen des 2. Juni am Bildungszentrum der Telekom einen Bus. Sie ahnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass in das Fahrzeug eines jener heimtückischen Navigationssysteme eingebaut ist, die besonders gerne jene Busfahrer in die Irre führen, die sich nicht vor der Reise anhand von Karten auf die Fahrtroute vorbereitet haben.

Die englischen Partner sind am Tage zuvor teils mit dem Auto angereist, teils von ihren Gastgebern am Flughafen Hahn abgeholt worden. Nun am 2. Tag der Begegnung sind sie neugierig, Karlsruhe und einige seiner Attraktionen kennen zu lernen. Der elektronische Navigator schlägt kurz vor unserem ersten Ziel, dem ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie) zum ersten Mal zu, schickt den Bus erst in die Gegenrichtung und lässt ihn dann an der falschen Stelle abbiegen. Glücklicherweise sind wir so zeitig aufgebrochen, dass uns unsere Führerin im ZKM trotzdem zum vereinbarten Zeitpunkt begrüßen kann.


Keramikfrühstück
Das ZKM bietet mit einer bunten Palette interaktiver Mediaanwendungen für jeden etwas. Bei den älteren Teilnehmern weckt eine Zuse 22 als weltweit ältester noch funktionierender Röhrenrechner nostalgische Erinnerungen, während die allerjüngsten Teilnehmer begeistert virtuelle Seifenblasen auf einer Leinwand in verschiedene Richtungen schubsen. Einige führen ein Gespräch mit dem naturgetreuen 3-D-Bild eines weiblichen Kopfes, der Kopf und Gesichtsmuskeln beim Sprechen wie eine wirkliche Person bewegt. Andere lassen durch Berühren der Blätter einer Zimmerpflanze auf der gegenüberliegenden Wand zauberhafte exotische Gewächse entstehen. Auf der unteren Ebene, dort wo ein unbesetzter Rollstuhl scheinbar ziellos umherfährt, steht ein Tisch, umgeben von Fernsehmonitoren, auf denen wir zu sehen sind während wir um den Tisch herumstehen. Doch merkwürdig: Da sitzen und stehen noch andere Personen mit uns am Tisch und plötzlich verliert einer davon gar seine Hand. Des Rätsels Lösung: ein zweiter, blauer Tisch in der gegenüberliegenden Ecke der großen Halle und der bekannte „Blue Screen“ Techniktrick. Hübsch und beeindruckend ist auch das elektronische Buch des japanischen Künstlers Masaki Fujihata, das beim Umblättern auf jeder Seite neue Interaktionsmöglichkeiten bietet, angefangen von interaktivem Malen über das Einschalten der Tischlampe und dem Öffnen einer lustigen virtuellen Tür mit dem Malstift.

Zwei Stunden sind fast ein wenig zu kurz, um alles zu sehen, aber die Tische für das Mittagsessen sind schon bestellt. Das Restaurant, das sein eigenes Bier braut, ist nur ein paar Busminuten entfernt. Wegen des herrlichen Wetters lassen wir uns den Krustenbraten, den Salatteller oder das Tagesmenü draußen auf der Terrasse servieren. Nach dem reichlichen Essen und einem großen Glas Bier fällt es manchem schwer wieder aufzustehen. Aber die Ausstellungsräume der Majolika-Manufaktur mit ihren modernen Keramikfiguren jenseits des Schlossgartens warten schon auf unseren Besuch. Der Weg dorthin vorbei am Museum für Naturkunde, dem ursprünglich geplanten Treffpunkt für die Rückfahrt, ist für das Navigationssystem die Gelegenheit, seine ganze Heimtücke zu zeigen. Unterstützt von den Baustellen in der Innenstadt lockt es den Bus auf Irrwege und in enge Straßen, in denen er beinahe stecken bleibt. Nur mit Unterstützung einiger Businsassen gelingt es dem verzweifelten Fahrer schließlich, einen für alle günstigen Treffpunkt an einer Bushaltestelle am Rande des Schlossparks zu finden. So können die Kunstinteressierten keramische Riesenhamburger bewundern, während andere sich für einen Bummel durch die Fußgängerzone entscheiden.


Vor der Merckpyramide
Dass man nicht in andere Städte fahren muss, sondern auch in Darmstadt selbst noch Neues kennen lernen kann, erfahren die englischen Partner am Freitag Morgen bei einer Führung durch die Firma Merck. Im Museum der Firma hören sie, dass die ethischen Grundsätze des Firmengründers H. Emanuel Merck bezüglich Produktqualität und sozialem Engagement auch heute noch beherzigt werden und dass das Fehlen eines größeren Flusses in Fabriknähe die Orientierung der Firma in Richtung hochwertiger Nischenprodukte entscheidend beeinflusst hat. Während die Kinder hauptsächlich von der computergesteuerten Warenverteileranlage fasziniert sind, gelingt es der Führerin, die in modernen Chemieanlagen weitgehend unsichtbaren ablaufenden Prozesse so anschaulich und lebendig zu beschreiben, dass selbst Nichttechniker begeistert sind. Beeindruckt sind alle auch von der Sauberkeit in der ganzen Firma.


Während nach dem Mittagsessen in einer der Merckschen Werkskantinen ein Teil der Gäste mit ihren Gastgebern die Affen im Vivarium besucht, füllt der andere auf den Erdbeerfeldern von Weiterstadt mehrere Körbe mit köstlichen Erdbeeren als Nachtisch zum Grillfest am Abend des gleichen Tages.
Wie schon der ganze Tag ist auch der Abend heiß und schwül. Tische und Bänke an der Grillhütte sind deshalb unter freiem Himmel aufgestellt und bei mehr als 60 Leuten leert sich das Bierfass rasend schnell. Gerade hat man sich mit Steak und Salat am Tisch niedergelassen und zu Messer und Gabel gegriffen. Da verdunkelt sich der Himmel und die ersten Regentropfen fallen klatschend auf die Tischdecke. Gerade noch rechzeitig bringt man Tische und Bänke und sich selbst ins Trockene. Draußen prasselt ein heftiger Gewitterregenguss herunter. In der Hütte aber ist es trocken und gemütlich trotz der Enge.
Im Hintergrund spielt ABBA-Musik und auf die Steak–Salat Hauptmahlzeit folgt der Erdbeer- und Kuchennachtisch.
Am Morgen des nächsten Tages haben sich alle Regenwolken verzogen, das Gewitter vom Abend vorher hat die Luft angenehm abgekühlt, ideale Voraussetzungen für unsere Kühkopf-Radtour.


Picknick am Kühkopf
Wir haben 3 Gruppen. Die erste startet mit dem Rad in Darmstadt und kommt nach einer guten Stunde am Kühkopf in Stockstadt an. Dort trifft sie die zweite Radfahrgruppe und die Wandergruppe zum gemeinsamen Picknick. Anschließend brechen die Radfahrer vom Besucherzentrum aus auf zur großen Rundtour um den Kühkopf, während die Wanderer einen kleineren Rundweg für eine etwa einstündige Wanderung wählen.
Wanderer und Radfahrer haben einen Fragebogen mit etwa 20 Fragen zu Dingen im Besucherzentrum und auf der Strecke erhalten. Alle sind eifrig bemüht die Fragen zu beantworten. Deshalb bekommt jeder zum Abschluss der Veranstaltung eine kleine süße Belohnung.
A. Corbet

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